Unternehmensbewertung – Methoden, Bedeutung und Anwendung in der Praxis
- businessagent.ch
- 2. Mai
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Aktualisiert: vor 2 Tagen

Die Bewertung eines Unternehmens ist ein zentrales Instrument für zahlreiche geschäftliche Entscheidungen – von der Nachfolgeregelung über den Kauf oder Verkauf eines Unternehmens bis hin zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Dabei handelt es sich keineswegs um eine rein mathematische Übung: Neben fundierten Bewertungsmethoden fliessen auch qualitative Aspekte und Markterfahrungen in die Analyse ein. Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über die gängigen Verfahren, deren Anwendung sowie die Bedeutung in der Praxis.
Warum eine Unternehmensbewertung notwendig ist
Unternehmensbewertungen werden in verschiedenen Kontexten durchgeführt, etwa:
Nachfolgeplanung: Interne Übergabe an Familienmitglieder oder Mitarbeitende
Unternehmenskäufe und -verkäufe: Externe Transaktionen oder strategische Zukäufe
Gerichtliche oder steuerliche Anlässe: Z. B. bei Erbschaft, Scheidung oder Ausscheiden von Gesellschaftern
Standortbestimmung: Vorbereitung auf eine strategische Neuausrichtung
Bewertung von Minderheitsbeteiligungen oder als Grundlage für Investitionsentscheidungen
In all diesen Fällen geht es darum, auf einer verlässlichen Basis Entscheidungen zu treffen – sowohl für Käufer als auch Verkäufer oder andere beteiligte Parteien.
Bewertungsverfahren im Überblick
Es existieren mehrere etablierte Methoden zur Unternehmensbewertung, die sich grob in drei Hauptgruppen einteilen lassen:
Substanzwertverfahren
Ertragswertverfahren
Marktwertorientierte Verfahren (Multiples/Transaktionswerte)
In der Praxis wird oft ein Methodenmix verwendet, um ein möglichst realistisches Bild des Unternehmenswertes zu erhalten. Der Bewertungsansatz wird dabei individuell auf die spezifische Situation, das Geschäftsmodell und den Lebenszyklus des Unternehmens abgestimmt.
Die Substanzwertmethode: Der „Bestand“ zählt
Bei der Substanzwertmethode wird der Unternehmenswert aus der Differenz von Aktiva (z. B. Maschinen, Immobilien, Vorräte) und Passiva (Verbindlichkeiten, Schulden) ermittelt. Dieses Verfahren eignet sich besonders für kapitalintensive Betriebe, bei denen die physische Substanz eine wesentliche Rolle spielt.
Der Substanzwert liefert eine solide untere Bewertungsgrenze, ist jedoch häufig nicht ausreichend, um das gesamte wirtschaftliche Potenzial eines Unternehmens abzubilden – vor allem dann, wenn immaterielle Werte wie Kundenbeziehungen, Know-how oder Markenstärke eine wichtige Rolle spielen.
Die Ertragswertverfahren: Zukunft im Fokus
Ertragswertmethoden bewerten ein Unternehmen auf Basis der künftig erwarteten Gewinne oder Cashflows. Hierbei wird insbesondere der sogenannte Free Cash Flow (FCF) herangezogen – jener Geldstrom, der nach Abzug aller operativen Kosten und notwendigen Investitionen dem Unternehmen zur freien Verfügung steht.
Discounted Cash Flow (DCF) Methode
Ein besonders häufig verwendetes Verfahren ist die DCF-Methode. Dabei werden die zukünftigen Free Cash Flows diskontiert, also auf ihren heutigen Wert zurückgerechnet. Dies berücksichtigt sowohl den Zeitwert des Geldes als auch das unternehmerische Risiko.
Der dabei verwendete Kapitalkostensatz (WACC – Weighted Average Cost of Capital) setzt sich aus den Kosten für Eigen- und Fremdkapital zusammen und reflektiert die individuelle Finanzierungsstruktur des Unternehmens. Je höher das Risiko, desto höher fällt der WACC aus – und desto niedriger der heutige Wert künftiger Erträge.
Der DCF-Ansatz gilt als präzise, ist jedoch daten- und planungsintensiv. Um eine belastbare Bewertung zu erhalten, sind realistische Finanzplanungen und belastbare Annahmen über Marktentwicklungen unerlässlich.
Goodwill: Der immaterielle Mehrwert
Die Differenz zwischen dem Ertragswert und dem Substanzwert eines Unternehmens wird als Goodwill bezeichnet. Dieser steht für immaterielle Vermögenswerte wie Reputation, Know-how, Markennamen oder Kundenbindung. Der Goodwill spielt vor allem in dienstleistungsorientierten Unternehmen mit geringer Sachsubstanz eine wichtige Rolle und kann bei der Preisfindung erheblichen Einfluss haben.
Marktwertorientierte Verfahren: Orientierung am realen Transaktionsgeschehen
Während Substanz- und Ertragswertmethoden primär auf internen Unternehmensdaten beruhen, liefern marktwertorientierte Methoden einen Abgleich mit der Realität: Sie berücksichtigen tatsächlich erzielte Preise vergleichbarer Transaktionen (sogenannte Transaction Multiples)
Gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen, für die kein transparenter Markt existiert, liefern Erfahrungswerte aus vergleichbaren Verkäufen eine wertvolle Referenz. Dabei wird in der Regel mit Multiplikatoren gearbeitet, etwa dem Verhältnis von Unternehmenswert zu EBITDA oder Umsatz. Diese Multiples werden auf die bereinigten Kennzahlen des zu bewertenden Unternehmens angewendet.
Durch diese Herangehensweise entsteht ein marktgerechtes Preisband, das als Plausibilisierung der theoretischen Bewertungen dient.
Methodenmix: Die Mittelwert- und Übergewinnmethode
Für kleinere Unternehmen oder bei begrenzter Datenverfügbarkeit wird häufig die Mittelwertmethode (auch Praktikermethode genannt) verwendet. Dabei wird ein gewichteter Durchschnitt aus Substanz- und Ertragswert berechnet.
Das Übergewinnverfahren ergänzt Substanzwert und Ertragsüberschüsse. Hierbei wird der Ertragsüberschuss (Übergewinn) über eine bestimmte Dauer kapitalisiert und dem Substanzwert zugeschlagen. Diese Methode wird insbesondere in bestimmten internationalen Kontexten eingesetzt.
Marktpreisermittlung als verkürzte Bewertung
Nicht in jedem Fall ist eine umfassende Unternehmensbewertung notwendig. Für eine erste Einschätzung bietet sich die Marktpreisermittlung an – eine praxisorientierte Schnellbewertung mit Fokus auf:
Kaufpreisschätzungen anhand von Markt-Multiples
Einschätzung der Verkäuflichkeit (z. B. Nachfrage, Branchentrends)
Berücksichtigung qualitativer Faktoren, etwa Managementqualität, Kundenstruktur oder Wettbewerbssituation
Diese Methode eignet sich besonders zur Vorbereitung eines Verkaufsprozesses oder zur internen Standortbestimmung.
Einflussfaktoren auf den realisierbaren Unternehmenswert
Der realisierbare Unternehmenswert, also der tatsächliche Preis, der im Markt erzielt werden kann, weicht oft vom theoretisch errechneten Wert ab. Der Grund: Der Marktwert hängt nicht nur von objektiven Kriterien, sondern auch von subjektiven Einschätzungen der Kaufinteressenten ab.
Ein Käufer bewertet Risiken und Chancen individuell – was für den einen ein Ausschlusskriterium ist, sieht ein anderer als strategische Gelegenheit. Zu den relevanten Faktoren gehören unter anderem:
Finanzielle Stabilität und Transparenz
Zukunftspotenzial und Innovationsfähigkeit
Marktstellung und Kundenbindung
Mitarbeiterkompetenz und Know-how
Branchensituation und wirtschaftliches Umfeld
Auch Klumpenrisiken, z. B. eine starke Abhängigkeit von einzelnen Kunden oder Lieferanten, wirken sich wertmindernd aus. Dagegen können stabile Ertragsquellen, langjährige Kundenbeziehungen oder Alleinstellungsmerkmale (USPs) wertsteigernd sein.
Fazit: Unternehmensbewertung als fundierte Entscheidungsgrundlage
Eine Unternehmensbewertung ist weit mehr als das Rechnen mit Zahlen. Sie vereint theoretische Verfahren mit Markterfahrung und individueller Einschätzung. Für eine realitätsnahe Bewertung ist es entscheidend, nicht nur methodisch korrekt zu arbeiten, sondern auch qualitative Aspekte und Marktgegebenheiten zu berücksichtigen.
Ob für strategische Planung, Transaktionen oder rechtliche Auseinandersetzungen – eine solide Bewertung ist unerlässlich. Wer frühzeitig Klarheit über den eigenen Unternehmenswert hat, kann fundierte Entscheidungen treffen und strategische Weichen richtig stellen.
Für eine objektive Einschätzung empfiehlt sich der Beizug von Fachpersonen, die sowohl finanzielle als auch marktorientierte Faktoren professionell bewerten können. Besonders bei Verkaufsabsichten sollte nicht nur der Unternehmenswert, sondern auch die Verkäuflichkeit realistisch eingeschätzt werden.
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